Kl.: Vor einigen Jahren haben Sie, Herr Döring, ein Einfamilienhaus gebaut, das allen Vorstellungen widerspricht, welche man normalerweise von einem Einfamilienhaus hat. Schon das Aussehen negiert die üblichen Erwartungen. Warum hat das Haus Mayer-Kuckuck in Bad Honnef diese Form?

D.: Das Aussehen dieses Hauses hat mich eigentlich überhaupt nicht interessiert. Mayer-Kuckuck wollte ein Haus haben, das ihm angemessen erschien und auch erschwinglich sein sollte. Und ich habe ihm die Bedingung gestellt, daß er mir völlig freie Hand läßt, daß ich bauen kann, was ich will, im Rahmen der Bauordnung, der Abstandsvorschriften usw. Er mußte mir nur einen Katalog von Räumen geben, wie er sie haben wollte, wie groß und wie hoch, und ich habe ihm dann gesagt, wie das Haus aussehen und wie es konstruiert werden sollte. Das ist also allein meine Sache, weil ich das als Architekt besser kann. Die Form ergab sich eigentlich nur aus der Konstruktion. Ich habe ungewöhnlich intensive Überlegungen angestellt und Untersuchungen durchgeführt, um die wirtschaftlichste Konstruktion für dieses Haus zu finden, denn es mußte besonders billig werden.

Kl.: Mit anderen Worten, Ihr Auftraggeber war kein reicher Mann.

D.: Er ist Professor für theoretische Physik an der Universität Bonn. Er kam gerade aus den USA. Das Grundstück war ihm von der Universität zugesagt worden. Er hatte aber darüber hinaus, nachdem die Straßenanliegerkosten bezahlt waren, eigentlich gar kein Geld mehr, um sich ein Haus bauen zu können. Es blieben 80.000 Mark übrig. Ich habe ihm erst einen Entwurf gemacht aus Kunststoffteilen, wie ich mir das damals vorstellte. Es fand sich aber keine Firma, die das bauen wollte. Ich hatte mir vorgestellt, einfach einen großen Raum zu machen. Das Ehepaar Mayer-Kuckuck hat oft viele Freunde zu Gast. Sie hatten damals noch kein Kind. So habe ich ihnen auf diesem relativ schmalen und langen Grundstück ein langgestrecktes Haus geplant, mit einer großen Treppenanlage in der Mitte.

Kl.: Das war in welchem Jahr?

D.: Das war 1965.

Kl.: Da haben Sie schon an ein Kunststoffhaus gedacht? Das war ja damals keineswegs üblich.

D.: Das war auf jeden Fall ein leichtes Material, von dem ich glaubte, daß man es leicht vorfertigen könnte. Von den Brandvorschriften wußte ich damals noch gar nichts. Allerdings war zunächst nicht zu überblicken, ob wir nun mit den Kosten hinkommen würden. Aufgrund meiner Erkundigungen bei den Firmen war weder die BASF noch Bayer noch sonst einer in der Lage, verbindliche Preise anzugeben. Die haben gesagt, sie könnten die Formkosten nicht übersehen; sie wüßten auch nicht so recht, was am Ende dabei herauskommen könnte. Dieses Risiko wiederum konnte ich meinem Bauherrn nicht zumuten, also war dieser Plan gestorben.
Auf dem Weg nach Bad Honnef kam ich damals öfters an Wesseling vorbei. Da stehen solche Kugelgasbehälter herum, einer davon war auch noch ganz verrostet. Ich habe mich in Wesseling erkundigt, ob man solch ein Ding gebraucht kaufen könne; sie sagten mir, daß sie einen dieser Kugelbehälter abgeben könnten. Und so habe ich Mayer-Kuckock dann vorgeschlagen, sich doch einfach so einen Kugelgasbehälter dahin zu stellen, in das leere Gehäuse mehrere Ebenen einzuziehen und obenauf dann runde, wie Blasen aufsitzende Lichtkuppeln so anzubringen, daß der Raum angemessen beleuchtet würde. Doch wiederum fand sich niemand, der eine verbindliche Kostenaufstellung machen konnte. Trotzdem habe ich gesagt: Dann bauen Sie sich doch diese Kugel in den Garten, kaufen Sie das Ding. Dazu hätte aber mein Bauherr die Transportkosten bezahlen müssen. Und transportieren Sie mal so einen Kugelgasbehälter! Das Ding muß auseinandergeschnitten und dann nachts zwischen drei und vier Uhr mit Blaulicht um die Brücken herum im Schneckentempo durchgeschleust werden. Der Transport sollte schon 300.000 Mark kosten, allein das Auseinanderschneiden und Hinbringen.

Kl.: Wieviel Kilometer sind es von Wesseling bis Bad Honnef?

D.: Ich schätze so vierzig Kilometer. Aber das Auseinanderschneiden und all die Sicherheitsvorschriften, die eingehalten werden müssen: Da muß die Polizei vor und hinter dem Transport fahren, da muß man einen Papierkrieg führen - auf jeden Fall war das also auch nicht möglich. Wir haben lange darüber diskutiert, sehr anregende Gespräche über Architektur und Physik miteinander geführt.

Kl.: Haben Sie auch über die Idee des Kugelhauses gesprochen?

D.: Ich hatte keine derartige Idee, etwa wie Ledoux mit seinem »Haus des Flurwächters«. Ich hatte noch nicht einmal das Problem der Zugänglichkeit bei der Kugel bedacht: Wo wollen Sie dort hineingehen, wo und wie soll der Eingang angelegt werden? Da konnte von einer »Kugelhausidee« nicht die Rede sein, sondern es war einfach so, daß hier ein großes, leeres Gehäuse zum Abbruch herumstand, das billig zu haben war. Wenn das ein altes Gewächshaus gewesen wäre, so hätte ich gesagt, kaufen Sie doch dieses alte Gewächshaus und stellen es in den Garten, ich verkleide es dann wärmedämmend und baue es aus. Es war also keine Formidee, es ging um ein Stück, das bereits vorhanden war, ein »vorgefundenes Obiekt«. Natürlich muß man eine solche Kugel auf dem Boden befestigen. Sie muß ein Fundament bekommen. Und dann müssen verschiedene Ebenen eingezogen werden, die man etwa mit einer Wendeltreppe verbinden könnte. Außen sind dann die Fenster anzubringen, wie bei einer Taucherglocke. Und Herr Mayer-Kuckuck könnte also auf einer Ebene ganz oben oder ganz unten stehen und zu seiner Frau herauf- oder zu seinen Gästen hinunterrufen. Es wäre also sicherlich kein alltägliches Haus geworden.

Kl.: Die relativ dünne Metallwand der Kugel hätte jedoch verkleidet werden müssen?

D.: Genau wie Sie Stahl-Beton-Teile im Spritzverfahren herstellen, torkretieren, so hätte man die Kugel belegen, mit einem Schaum innen und außen anspritzen können.

Kl.: Ist nicht aber Kondenswasser, das sich innen niederschlägt, ein größeres Problem als die Wärmeisolierung?

D.: Jeder Mensch atmet pro Stunde zehn Gramm Wasser aus, und das muß irgendwo abbleiben. Normalerweise geht das durch die Wände nach außen oder wird vom Putz und vom Mauerwerk aufgenommen.

Kl.: Das ist bei einer solchen Stahlwand nicht möglich.

D.: Das ist der Nachteil aller Metalle und auch aller Kunststoffe. Deshalb hat Feierbach sein Kunststoffhaus im Sauerland mit Teppichresten von Bayer ausgekleidet, acht Zentimeter stark. Und dieser Stoff nimmt natürlich die Feuchtigkeit bis zu einem gewissen Grad auf, bis er gesättigt ist - danach muß das Kondenswasser wieder abgegeben werden.

Kl.: Aber doch nicht durch die Plastikhülle hindurch?

D.: Nein, nach innen. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden jetzt hier die ganzen Wandoberflächen lackieren, dann würde unsere Atemfeuchtigkeit dort anfallen. In dem Moment, da Sie das Fenster aufmachen, ist das Wasser wieder weg.

Kl.: Doch offenbar ist die Undurchlässigkeit des Kunststoffs einer der Gründe, weshalb nicht bereits eine Massenproduktion von Plastikhäusern angelaufen ist.

D.: Das ist wohl richtig, doch können Sie, wenn Sie auf ein Laminat verzichten, eine gewisse Durchlässigkeit erzielen. Sie können aber auch die inneren Wandflächen mit einer Masse überziehen, die in der Lage ist, die Feuchtigkeit aufzunehmen. Stellen wir uns einmal vor, wir würden uns acht Stunden in diesem Raum aufhalten, so daß die Luftfeuchtigkeit in die Oberfläche eindringt. Sobald wir den Raum verlassen und er gelüftet wird, verflüchtigt sich die Feuchtigkeit wieder.

Kl.: Herr Döring, Sie sagten, daß man sogar eine gewisse Durchlässigkeit erzielen könne, was doch sicherlich bei Schaumstoffwänden möglich ist.

D.: Nun bin ich kein Bauphysiker. Das ist ein Spezialgebiet; nur der Fachmann kann angeben, wie sich solche Schäume verhalten. Es gibt zwei Arten, Polyurethanschaum und Polyesterschaum. Der Polyurethanschaum hat den großen Vorteil, sehr preiswert zu sein, hat jedoch den Nachteil, daß er beim Aufschäumen einen starken Druck erzeugt. Sie müssen also eine teure Form haben, um ein billiges Material verwenden zu können. Beim Polyesterschaum ist es umgekehrt. Er ist teuer, aber er entwickelt beim Schäumen nur einen relativ geringen Druck; Sie haben also eine billige Form, doch hohe Materialkosten. Zum Beispiel ist dieser Stuhl hier, auf dem ich sitze, aus Polyester. Als Armierung besitzt er ein Glasseidengewebe. Die glänzende Oberfläche ist das Laminat, das als Finish aufgebracht ist. Wollen Sie nun aus diesen Materialien ein Haus bauen, dann haben Sie auf Dinge zu achten, die Sie als Architekt normalerweise nicht voraussehen können; das Material etwa arbeitet unter Temperatureinwirkung, es dehnt sich und es schrumpft wieder. Wir haben einmal eine Schule geplant, da hatten wir ausgerechnet, daß sich die Wandelemente aus Kunststoff bis um volle vier Zentimeter dehnen konnten. Das ist ein echtes Problem. Ihre Konstruktion muß so angelegt sein, daß sie diese große Bewegung aufnehmen kann.

Kl.: Also Polyester ist besonders dehnungsfähig.

D.: Das Polyurethan etwas weniger. Jene kuppelförmigen Behausungen etwa, die das Rote Kreuz für die Länder der Dritten Welt entwerfen ließ, waren aus Polyurethan. Sie sind im Spritzverfahren hergestellt. Der Schaum wird auf einen mit Luft gefüllten Ballon aufgespritzt, aus dem man nach dem Trocknen die Luft herausläßt.

Kl.: Wie aber ist es möglich, daß die Kunststoffhaut atmet?

D.: Die Haut atmet nicht, die Haut muß entfernt werden. Es muß der nackte Schaum übrigbleiben. Der saugt auf und gibt dann wieder ab. Doch, wie gesagt, ich bin kein Bauphysiker.

Kl.: Dieses Metier müßten Sie eigentlich besonders intensiv betreiben, wenn Sie mit den neuen Materialien arbeiten.

D.: Dafür gibt es Fachleute, die habe ich hinzugezogen; sie haben alles ausgerechnet, und ich habe es schnell wieder vergessen, sobald ich damit fertig war. Das ist sehr kompliziert, hier kann nur der Fachmann raten und helfen.

Kl.: Ist denn garantiert, daß man so bauen kann?

D.: Ja, man kann so bauen.

Kl.: Ohne daß dann plötzlich die Wände schimmeln?

D.: Ja, das ist möglich. Es läßt sich so einrichten. Die Spezialisten rechnen und knobeln das aus. In dem Bereich sind Sie als Architekt also relativ frei.

Kl.: Was aber hindert uns daran, auf diesem Gebiet weiterzumachen?

D.: Das Bauen mit Kunststoff ist sehr kosten intensiv.

Kl.: Warum baut man dann Kunststoffhäuser und bleibt nicht beim alten Backstein?

D.: Man baut ja gar nicht. Eine Zeitlang war es eine Modeerscheinung. Ich selber habe einen solchen Versuch gemacht. Die Formkosten sind so erheblich, daß es sich nur in großer Serie lohnt. Und die Formen altern sehr schnell. Dieses Material lädt sich elektrostatisch auf und saugt den Schmutz stärker an als irgendein anderer Werkstoff. Es sieht nur gut aus, bis der Fotograf von »Bauen und Wohnen« da war, danach verkommt das sehr rasch. Und dann hat es den Nachteil, daß die Feuerwehr Schwierigkeiten macht. Im Brandfall können sich Gase entwickeln.

Kl.: Fazit: Kunststoff ist kein Baumaterial?

D.: Das können Sie so entschieden auch nicht sagen. Dieser Tisch, an dem wir sitzen, besteht auch aus Kunststoff. Das Material bewährt sich sehr gut. Sie können eine Zigarette darauf ausdrücken. Die Farbe auf dieser Lampe ist ja auch Kunststoff. Und das kleine Schränkchen hier ist mit Polyesterlack gespritzt. Im Haus Wabbel habe ich eine Küchenzelle aus Kunststoff eingebaut, aus Polyurethan-Hartschaum. Der laufende Meter hat damals 35 Mark gekostet, ist also sehr preiswert gewesen.

Kl.: Schränken wir also ein: Bei Inneneinrichtungen kann man Kunststoff anwenden, aber er taugt nicht als Baumaterial.

D.: Als tragender Baustoff taugt er nicht. Außerdem erweist sich bei unseren Witterungsverhältnissen der Kunststoff doch als sehr wenig widerstandsfähig. In Lüdenscheid gab es eine große Kunststoffausstellung. Ich bin hingefahren, als alles noch neu war, und es war recht schön. Ich bin dann wieder hingefahren, als die Ausstellung etwa ein Jahr stand, und das sah grauenhaft aus. Wie das heruntergekommen war! Die Ecken ab, und Schmutz überall! Die Außenhäute hatten sich unterschiedlich bewegt, die Fugen waren aufgegangen. Und stellen Sie sich eine Einfamilienhaus-Siedlung aus Kunststoff vor, stellen Sie sich einmal diese kleinen Häuschen im Lauf der Jahre vor, wenn sie alle schmutzig geworden sind. Die Leute, die darin wohnen, putzen und reiben darauf herum; das wird dann wie ein Auto gescheuert

Kl.: Wäre es dann nicht besser, sich überhaupt mit den konventionellen Baustoffen zu begnügen, damit ein solches Bild vom Häuschen scheuernden Vorortbürger gar nicht erst aufkommt?

D.: Nein, nein, so nicht. Eine Zeitlang haben wir geglaubt, daß wir den Kunststoff als tragenden Baustoff heranziehen könnten, daß wir Träger und Stützen aus Kunststoff machen könnten. Herr Langlie wies das nach im Rahmen einer Dissertation. Die Bayer-Werke haben einen vielbeachteten Versuch unternommen und den Nachweis erbracht, daß Kunststoffstützen belastbar sind. Wir glaubten, nun den günstigen Leichtbaustoff, der extrem beanspruchbar ist, gefunden zu haben. Aber von den Kosten her hat sich das als untauglich herausgestellt, so daß wir doch wieder auf den Stahl zurückgekommen sind. Kunststoff ist gewiß richtig für unsere Technologie der Gesamt-Oberflächen, gewiß auch richtig als füllender Baustoff, und er ist überhaupt nicht mehr wegzudenken als Isolierbaustoff, etwa für die Wärmeisolierung, für die Wärmedämmung von Dächern, von Außenwänden und anderen Baupartien. Ohne die Kunststoffschäume wäre das gar nicht mehr machbar. Doch das sollte ich nun auch wieder nicht sagen, denn da kommt mir sofort die Glasindustrie auf den Kopf mit ihren Glasfasermatten. Aber das sind zwei doch sehr ähnliche Isolierstoffe. Richtig ist sicherlich, daß diese Schäume gar nicht mehr wegzudenken sind; ohne sie geht es einfach nicht mehr.

Kl.: Und mit einem solchen Schaum hätte man auch die Kugel isolieren können?

D.: Warum nicht! Natürlich kommt auch die Frage der Akustik hinzu, das hätte man auch regeln müssen. Auf jeden Fall erschien es uns, dem Bauherrn-Ehepaar und mir, eine phantastische Sache, in diesem Ding zu wohnen. Wir haben uns vorgestellt, daß da irgendwelche Pflanzen hinauf- und herunterwachsen in dieser Wohnkuppel, und daß man kleine Plattformen und Galerien hat. Doch leider ist das Ganze gestorben. Nur das eine stand eben fest: Es mußte ein Haus werden, bei dem die Kosten ganz klar zu übersehen waren. Da bot sich als billigster Baustoff im Jahre 1967 Holz an, der Holzleimbau also. Das Verfahren des Holzleimbaus war von dem Deutschen Hetzer entwickelt worden, der sich damit aber hier in Deutschland in den zwanziger Jahren nicht durchsetzen konnte und erst später in den USA mehr Verständnis fand. Als Hetzer-Bauweise ist das Verfahren dann nach Deutschland zurückgekommen. Aus diesen Holzleim-Teilen bauten wir nun das Haus. Dabei haben wir den Rohbau vom Ausbau und von der Installation getrennt. Ich habe gesagt, wir betrachten jede Sache für sich und optimieren sie nur im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit, also das wirtschaftlichste Gerüst und das wirtschaftlichste Ausbausystem und die wirtschaftlichste Installation. Den Rahmen der Stützen und der Deckenträger haben wir dann aus diesen Holzbauteilen gemacht.

Kl.: Können Sie die Struktur Ihres Baues genauer beschreiben?

D.: Die Holzstützen stehen in regelmäßigen Abständen auf Betonfundamenten. Jeder Stütze wird beidseitig ein Holzbalken angefügt, so daß »gespaltene« Deckenträger entstehen. Das hat den Vorteil, daß die Mitte frei bleibt für die Installationen. Gegen den Winddruck werden dann die Außenseiten ausgesteift. Auf der Längsseite müssen Sie nun die Winkel zwischen Stütze und Deckenbalken biegesteif machen. Es hat sich herausgestellt, daß es keine Dübel gibt, die alle an dieser Stelle auftretenden Kräfte aufnehmen können - es wäre mit Dübeln jedenfalls zu kompliziert geworden.

Kl.: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt doch Dübel von entsprechender Größe.

D.: Ja, es gibt wohl Dübel, aber die Löcher in den Flächen von Stütze und Träger wären zu groß geworden. So ein Bolzen muß ja durch drei Elemente hindurch, die relativ schmal sind. Das einfachste und billigste, was sich dann anbot, waren diese Sperrholzplatten, diese abgestumpften Dreiecke, die ich einfach aufgenagelt habe. Und das hält! Die haben eine solche Höhe, daß sie in der Lage sind, die Bewegungsmomente, die hier auftreten, zu verkraften.

Kl.: So entsteht die nötige Biegesteifigkeit. Wenn Sie dickere Balken genommen hätten, dann hätten Sie diese Sperrholzdreiecke nicht nötig gehabt.

D.: Ich habe ja anfangs gesagt, daß es galt, die Konstruktion möglichst wirtschaftlich zu machen mit all den Hilfs- und Rechenmethoden, die wir heute haben. Nun mußten wir für die Standfestigkeit sorgen. Darum haben wir außen am Bau die Drahtkreuze ausgespannt. Das heißt also, in der einen Richtung haben wir die Sperrholzplatten, und in der Ebene senkrecht dazu die Drahtkreuze, die für die Steifigkeit sorgen. Damit steht das ganze Ding. Und das haben wir dann auf kleine Stahlstifte gestellt, für jede Stütze einen Stift. Die Flächensumme der Stahlstifte beträgt etwa zwanzig Quadratzentimeter für das gesamte Haus. Darunter stehen die Punktfundamente für die Stahlstifte, das sind ziemlich dicke Klötze. Während des Baus standen da 32 Betonklötze herum und ein einsames Betonrohr - das war der Kamin. Da kamen die Leute und fragten, was hier wohl gebaut würde. Der Bauführer machte sich einen Spaß und sagte, hier würde ein Atommeiler gebaut. Und schon gab es Proteste. Bald darauf aber kam dann die Baufirma mit ihren Holzdingern an und hat das Haus in einigen Tagen hingestellt.
Die Holzwände waren vorfabrizierte Paneele, die gleich eingesetzt werden konnten. Das war damals im Einfamilienhausbau keineswegs üblich. Auch der Fußboden wurde aus Fertigteilen verlegt. Wir haben ihn auf der Unterseite mit Eternit verschalt, das war am billigsten. Dieselben Fertigteilplatten sind oben noch einmal als Dach daraufgekommen. Damit war das Haus fertig. Nun wollte ich noch die Konstruktion zeigen. Deswegen haben wir die Wände nicht ganz bis zur Dachkante hochgezogen, sondern haben in Höhe der Deckenträger eine schmale Glasscheibe eingefügt, einen Lichtschlitz.

Kl.: Außerdem haben Sie die Wand um einige Zentimeter hinter die Stützen zurückgesetzt.

D.: Richtig, die Außenwand steht zehn Zentimeter hinter den Stützen, damit man ablesen kann, daß Konstruktion und Ausbau getrennt sind.

Kl.: Man hätte die Wandfüllungen ja auch direkt hinter die Stützen kleben können.

D.: Gewiß, hätte man machen können.

Kl.: Wäre das nicht noch billiger geworden?

D.: Man hätte diese Wände hinten an die Stützen nageln können und hätte sie, wenn sie mit einer Spanplatte versehen worden wären, anstelle der Drahtkreuze als Aussteifung benutzen können. Ja, das ist einleuchtend. Aber diesen Scherz mit den Drahtkrenzen für ein paar Mark, den sollte man sich als Architekt und auch als Bauherr, der selber Spaß haben möchte an seinem Hause, leisten können, um den Verlauf der Kräfte wirklich deutlich zu machen. Aber das bedeutet keine Verteuerung! Ganz im Gegenteil! Durch die Vermengung von Ausbau und Konstruktion handeln Sie sich natürlich eine große Zahl von Anschlußpunkten und eine Reihe von Details ein, mit denen man schlecht fertig wird. Wenn Sie diese Wand hinter die Stütze nageln, dann kann das Wasser dort eindringen, und es gibt noch weitere Probleme. So aber haben wir immer die gleiche Verbindung allein der Wände untereinander, und wir haben nicht noch einmal das Detail des Anschlusses an die Stütze.

Kl.: Es kam Ihnen sehr darauf an, die Konstruktion zu zeigen, wie Sie sagen. Ist das nicht eine Ästhetisierung konstruktiver Momente?

D.: Sie sehen doch, daß jedes Detail seinen Zweck erfüllt, ob das nun die Drahtkreuze sind oder die Dreiecke oder die separierte Wand.

Kl.: Aber das sind doch auch die Einzelheiten, die das Haus interessant machen, denn sonst wäre es ja tatsächlich eine Baracke geworden.

D.: Danke, meine Häuser sind keine Baracken.

Kl.: Wenn Sie nicht diese besonderen Konstruktionsmomente eingebracht hätten, wenn Sie statt dessen einen einfachen Stützverband hingestellt und die Füllplatten davorgenagelt hätten, dann wäre das doch eine Baracke geworden?!

D.: Aber das kann doch gar nicht sein!

Kl.: Ich greife ja nicht Ihr Haus an, das Sie gebaut haben, sondern das Haus, das Sie gerade nicht gebaut haben.

D.: Ich hätte es zum Beispiel auch in Stahl bauen können, dann wäre es anders geworden.

Kl.: Warum haben Sie es nicht in Stahl gebaut? Worauf kam es Ihnen denn an?

D.: Dieses Holzhaus ist eben billiger als ein Stahlhaus. Wir haben uns eine Stahlkonstruktion anbieten lassen, doch die Holzkonstruktion war billiger.

Kl.: Aber Sie geben zu, daß eine solche Holzkonstruktion sehr interessant sein kann.

D.: Ja, das ist doch ein Ergebnis, bitte schön! Ich habe mir das vorher nicht so vorgestellt. Ich habe mir überhaupt nie vorgestellt, daß das Haus, nachdem es einmal stand, so viel Aufmerksamkeit erregen würde.

Kl.: Warum nicht?

D.: Ich fand das ganz normal; denn wenn man so vorgeht, dann kommt man zwangsläufig zu solchen Ergebnissen.

Kl.: Das will ich gar nicht bezweifeln. Doch meine ich, daß bloße Konsequenz nicht hinreicht, um einen Bau schön und interessant zu machen. Auch eine Baracke ist in sich konsequent. Die Leute haben aus anderen Gründen reagiert. Womöglich deshalb, weil sich ein gewisses Drama abspielt - meinetwegen das Schauspiel, daß an diesem Haus gezeigt wird, wie ein Hausbau zusammenhält.

D.: Sagen wir besser, das Drama eines Mannes, der ohne Geld mit etwas Witz und Verstand sich ein möglichst großes Haus zusammenbauen ließ. Ich glaube, dieses Drama ist hier ablesbar oder sollte ablesbar sein. Und das möglich zu machen ist mir wichtiger, als den Eingeweihten das Drama von den schönen Volumina im Sonnenlichte vorzugaukeln, so wie Le Corbusier es 1925 formulierte.

Kl.: Das ist sehr nüchtern, fast moralisch gedacht. Und doch können Sie nicht hindern, daß man dieses Haus auch als ein dramatisches Formenspiel ansehen kann. Oder ich sage herausfordernd altmodisch: daß man es gar schön finden kann.

D.: Das ist natürlich gefährlich, alles aus der konstruktiven und technischen Konsequenz heraus erklären zu wollen, also zu behaupten, daß etwas von allein schön wird, wenn man es nur bis zum letzten Punkt vorantreibt. Max Bill schrieb hier einmal vom Zusammenfall der relativen Vollkommenheit des Zweckes mit der relativen Vollkommenheit der Schönheit. Auf der anderen Seite war ich natürlich glücklich, über das billigere Holz zu einer solch interessanten Form zu gelangen. Ich habe mich darüber sehr lange mit unseren Ingenieuren unterhalten, und die haben mir immer Geschichten erzählt vom großen Kraftmoment. Sie haben mir riesige Dübel aufgezeichnet, womit Stützen und Deckenbalken zusammengehalten werden sollten. Da habe ich auf den Tisch gehauen und gesagt, dann macht doch solche Dübel auch aus Holz. Und so kam ich eben auf diese Sperrholzdreiecke. Ich habe natürlich ein bißchen übertrieben, sie sind eine Idee zu groß.

Kl.: Aha, jetzt kommt doch noch die Kunst zum Vorschein!

D.: Ich habe sehr viele Modelle gebaut und wochenlang am letzten Modell gebastelt, bis das eben stimmte. Die Proportionen spielen eine große Rolle. Wie lächerlich hätten die Dreiecke an den Balkenenden aussehen können!

Kl.: Es kam Ihnen also auf die Maßverhältnis se an. Und wenn Sie ein wenig übertrieben haben, so haben Sie auch »dramatisiert«.

D.: Das muß man auch tun, so verantwortungsvoll muß ein Architekt sein, daß es eben keine Baracke wird. Auch wenn ich das Haus aus Stahl gebaut hätte, wäre ich bemüht gewesen, so lange daran zu arbeiten, bis die Konstruktion auch von der Form her anständig ausgesehen hätte, obwohl es oft nur Zentimeter sind, die da eine Rolle spielen. Der Laie sieht das nicht. Das ist wie bei dem Touristen auf der Akropolis, der nicht sieht, daß der Stylobat
überhöht ist.

Kl.: Dieses Eingeständnis befriedigt mich, zumal es von einem Architekten kommt, dem scheinbar die Bautechnik über alles geht. Kehren wir also zurück zur Technik. War die Montage des Hauses kompliziert?

D.: Nun, da standen die Fundamentklötze herum und das Kaminrohr, und da waren viele Leute, die wissen wollten, was nun daraus werden sollte. Eines schönen Morgens kamen die Handwerker, das waren sehr gute Zimmerleute, Westfalen mit dicken Bäuchen; die hatten in Windeseile die Hölzer aufgestellt und einfach die Wände und Decken daraufgelegt, und nach ein paar Tagen stand das Haus fertig da. So etwas hatten die Leute damals noch nicht gesehen.

Kl.: Es ist ein zweigeschossiger Bau.

D.: Ein zweigeschossiger Bau, in den es dann an mindestens 96 Stellen reingeregnet hat. Das war die erste Überraschung, allerdings.

Kl.: An 96 Stellen, weshalb?

D.: Es gab da eine bestimmte Anschlußstelle zwischen dem Lichtschlitz und der Stütze, das machte bei den sechzehn Stützen 96 solcher Anschlußstellen. Dort hat der Wind das Regenwasser reingetrieben. Doch war das leicht zu beheben. Gott sei Dank! Aber sagen Sie mal, wenn Sie mich hier so ausquetschen, dann kommen wir ja nicht zu anderen Dingen. Der Hollein ist bekanntgeworden mit seinem kleinen Kerzenladen, sonst weiß kein Mensch etwas von ihm. Und ich werde immer nur nach diesem Kasten hier gefragt!

Kl.: Ich werde Sie auch noch nach anderem fragen, doch das Haus in Bad Honnef ist ein Ausgangspunkt, der vieles andere an Ihren Arbeiten erklären kann. Ich habe Sie zum Beispiel nicht einmal nach den einfachsten Dingen gefragt, etwa nach der Quadratmeterzahl dieses Hauses.

D.: Bewohnbare Fläche 150 Quadratmeter!

Kl.: Also für eine Familie mit zwei oder drei Kindern bestens geeignet.

D.: Man kann auch noch mehr daraus machen, man kann mehr Ebenen einziehen. Gegenwärtig sind unten zwei Kinderzimmer, ein . großes Bad, eine Küche, ein Eßzimmer und ein relativ großer Wohnraum von zehn Metern Länge. Im Obergeschoß sind ein Elternzimmer, ein großes Bad, ein Arbeitszimmer und eine Empore von ungefähr zwölf Quadratmetern.

Kl.: Gut, Herr Döring, das Ganze hat im Jahr 1966 80.000 Mark gekostet. Was würde das Haus heute, 1976, kosten?

D.: 140.000 Mark. Das Haus hat aber keinen Keller. Die Leute wollen einen Keller. Ohne Keller werden Sie hier kein Haus los. Der Keller würde heute, bei Teilunterkellerung, nochmals 60.000 Mark kosten.

Kl.: Angesichts dieses geringen Baupreises muß ich mich fragen, warum nicht noch andere Bauherrn dieses Haus bauen. Warum haben Sie es nur einmal verkauft?

D.: Ich verkaufe keine Häuser, ich plane sie. Sehen Sie, siebzig oder achtzig Prozent des Bauvolumens des letzten Jahres waren Ein- und Zweifamilienhäuser - 1975, imJahr der Rezession. Und ein erheblicher Teil davon, wohl die Hälfte, waren Fertighäuser. Auch die Firma, die damals dieses Haus gebaut hat, stellt Fertighäuser her. Warum die Buden so teuer sein müssen, weiß ich nicht.

Kl.: Diese Firma könnte ja das gleiche Modell auch in Massenproduktion herstellen und es ebenfalls als Fertighaus anbieten.

D.: Sie hat es auch getan. Sie hat damit sehr viel Werbung getrieben. Aber das war für die Leute eine Image-Werbung, ihre Firma hat damit ein modernes Gesicht bekommen. Kein Mensch wollte jedoch dieses Haus haben. Ein Haus darf so nicht aussehen! Ein Haus muß verklinkert sein, damit der Besuch nicht sieht, daß es ein Fertighaus ist. Ein Haus muß aus Stein sein, muß ein richtiges Dach haben, muß eine Eichentür haben, die man richtig auf- und zumachen kann, mit einer Diele, einem Flur und einem Windfang. Dieses Haus hier hat als Eingang eine Schiebetür wie in einem Schiff, und es steht 1,20 m über dem Boden. Sie können darunter hindurchschauen. Und Sie müssen ständig Angst haben, daß irgendwelche Ganoven so einen Stahlstift unten absägen und die ganze Bude in sich zusammenfällt.

Kl.: Hat der Eigentümer wirklich solche Befürchtungen?

D.: Keineswegs - es waren allein die potentiellen Käufer, die wegen dieser Argumente das Haus eben nicht gekauft haben. Die haben doch ernsthaft den Einwand erhoben, es könne einer kommen und den Stift einer Stütze absägen.

Kl.: Wie sieht denn die Umgebung dieses Hauses aus? Stehen da eine Menge kleiner Satteldachhundehütten, deutsche Einfamilienhäuschen, herum?

D.: Als ich das baute, da wußte ich von den Hundehütten nichts. Da war eine schöne große Wiese, und am Rande dieser Wiese war eine Mauer. Dahinter war ein Heim für gefallene Mädchen, und vor dieser Mauer wurde das neue Haus errichtet. Sonst stand da nichts.
Mittlerweile ist das von allen Seiten vollgepackt mit solchen Brezelhäusern. Und zwischendrin steht nun mein Haus der Zukunft, wie es damals so schön genannt wurde. Wissen Sie, die Leute wollen ja gar nicht billig bauen, nicht so billig. Ein Mann heute mit all seinen Bausparverträgen, der will Aluminiumfenster und ich weiß nicht was. Das ist eine andere Einstellung dem Bauen gegenüber. Wenn ich in London wohne, und ich arbeite meinetwegen in Greenwich, dann kaufe ich dort ein Haus; und wenn ich dann auf die andere Seite der Stadt ziehe, etwa bei einem Arbeitsplatzwechsel, kaufe ich mir eben dort ein anderes Haus. Hier baut man sich ein Haus, verschuldet sich für hundert Jahre bis zur Steinzeit und identifiziert sich auch sofort mit dem, was man da macht. Und die Kinder pfeifen dann auf diese Bude.

Kl.: Sind die Eigentümer des Hauses in Bad Honnef bis heute zufrieden mit dem Bau? Wie steht es mit der Wohnatmosphäre in einem solchen Raum?

D.: Das ist ein sehr großes Zimmer, deutlich strukturiert durch die über dem Wohnraum verlaufenden Balken, an die man Schaukeln hängen kann und Hängematten, auf die man oben Töpfe stellen kann. Pflanzen. Auch die Wände gliedern, da sie ja innen genau den Rhythmus der vorfabrizierten Teile zeigen. Hinten sind viele kleine Räume, in die man sich zurückziehen kann. Wir haben ein sehr schönes großes Schlafzimmer von dreißig Quadratmetern mit einem sehr großen Bad, mittlerweile witzigerweise mit vergoldet aussehenden Armaturen und farbigen Kacheln. Das haben Mayer-Kuckucks nachträglich verändert und damit einen ordentlichen Pop-Effekt erzielt. Sie haben da oben ein sehr schönes Arbeitszimmer, in dem es etwas rauscht, weil daneben die Heizung steht. Das ist ein Gasbadeofen, der das Haus mit Warmwasser beheizt. Und unten, da haben sie zwei Kinderzimmer. Es ist also Platz genug. Auf der Empore kann man sehr schön sitzen.

Kl.: Wie steht es mit der Wärmedämmung?

D.: Im Winter wird es wie in allen Häusern mit dünnen Wänden sehr schnell warm und sehr schnell kalt, aber durch die Wärmedämmung der Wände - acht Zentimeter Glaswolle oder Schaum entsprechen, was die Wärmedämmung anbelangt, einer 1,20 m starken Ziegelwand - läßt es sich sehr günstig heizen. Natürlich ließe es sich theoretisch auch sehr günstig kühlen.

Kl.: Was kann man machen, daß es nicht zu warm wird? Kann man das Haus anders bauen? Gibt es keine Möglichkeit, mit anderen Plattenstärken zu arbeiten?

D.: Ja, dann müßte man mehr Masse bringen, am besten diese dicken Ziegel- oder Lehmmauern, die sich tagsüber aufgeladen haben mit der Hitze und nachts die Wärme wieder abgeben. Diesen Effekt haben Sie natürlich bei den Leichtbaumethoden nicht.

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