Bedingung 4-63/DPS
Bad Honnef, 04.06.2007
Az.: 00424/2006/DV P

Anlage zum Eintragungsbescheid Nr. A 280 Objekt: Böckingstr. 9 („Haus Mayer-Kuckuk")

Das Wohnhaus Böckingstr. 9 wurde 1967 nach Plänen des Architekten Wolfgang Döring als innovativer Fachwerkbau für Theo Mayer-Kuckuk errichtet.
Ein außerhalb der Wände angeordnetes Tragskelett aus Ständern und Doppelzangenträgern bildet das Gerüst, das die gesamten Lasten aufnimmt. Die Elemente der Längsaussteifung (geschossweise überkreuzte Stahlzugbänder) und der Queraussteifung (Dreieckscheiben an den Balkenköpfen) sind besonders betont.
Der lang gestreckte zweigeschossige Kubus ist im Inneren zweigeteilt: Das vordere Drittel nimmt die teilweise durch beide Geschosse reichende Wohnhalle ein, im hinteren Bereich schließen Neben-, Schlaf- und Arbeitsräume einbündig an einen Längsflur an.
Das Obergeschoss ist durch eine Wendeltreppe erschlossen. Das wichtigste architektonische Merkmal des Hauses ist das außerhalb der Umfassungswände (Sandwichplatten) angeordnete Tragskelett.

Döring entwarf mit dem Haus Böckingstr. 9 ein preiswertes Einfamilienhaus, das als Prototyp eines neuen Systembaus gedacht war. Der Architekt hatte sich bereits vorher eingehend mit der Entwicklung von Systembauten befasst. Das Haus Böckingstr. 9 blieb allerdings ein Unikat. Eine entsprechende Serienproduktion kam nicht zustande.

Das Haus Böckingstr. 9 ist als Dokument gesellschaftlicher Utopien bzw. des Fortschrittsplaubens der 1960er Jahre allgemein bedeutend für die Geschichte des Menschen. Der Systembau, wie ihn Döring mit diesem Haus in exemplarischer Weise verwirklichte, sollte angesichts zunehmender Mobilität und individueller Lebensgestaltung als Werkzeug dazu dienen, den Wohnraum sich schnell verändernden Nutzungsbedürfnissen und -wünschen flexibel anzupassen.

Architektonisch ist das Haus Böckingstr. 9 bedeutend als Zeugnis des utopistischen Zeitgeistes in der Architektur der 1960er Jahre, der an dem bis heute im Wesentlichen unverändert gebliebenen Gebäude gut ablesbar ist.



Anlage

Rheinisches Amt für Denkmalpflege
50250 Pulheim


Datum 10.05.2007

Schy-ska-558-07


Bad Honnef, Böckingstraße 9 („Haus Mayer-Kuckuk")
Gutachten gemäß § 22 Absak 3 Sak 1
zum Denkmalwert gem. § 2 DSchG NW

(unter Mitarbeit von Herr Dr. Meys und auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Jörg Schulze/ RhAD 1992)

Ortstermin: 09. Mai 2007

Das Wohnhaus Böckingstraße 9 („Haus Mayer-Kuckuk") ist nach Auffassung des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW.

Bauherr: Professor Dr. Theo Mayer-Kuckuk
Architekt: Wolfgang Döring (* 1934)
Baujahr: 1967
Vorfertigung sämtlicher Bauteile: Fa. Nachbarschulte (Fertigteilwerk)/Dorsten

Baugeschichte

Das Haus Mayer-Kuckuk wurde im Jahre 1967 in der Böckingstraße 9 in Bad Honnef innerhalb von nur sechs Tagen errichtet, einem äußerst kurzem Zeitraum, dem naturgemäß eine längere Planungsphase vorausgegangen war. Sämtliche Teile waren einschließlich Installationen komplett vorfabriziert. Die Bauzeit der vorzubereitenden Außenanlagen und Betonfundamente nahm sechs Wochen in Anspruch.

Der Bauherr, ein aus den USA an die Bonner Universität berufener Atomphysiker, hatte den Architekten Wolfgang Döring beauftragt, ein preiswertes Einfamilienhaus mit normalem Raumprogramm zu entwerfen: Wohnraum, Küche, Essplatz, Schlafraum, zwei Kinder- und ein Arbeitszimmer mit einer Wohnfläche von 150 qm.

Wolfgang Döring, 1934 in Berlin geboren, Professor an der Technischen Hochschule in Aachen, der sich in seinem Düsseldorfer Architekturbüro damals bereits eingehend mit der Entwicklung von Systembauten befasst hatte, konnte den Auftraggeber dafür gewinnen, seine Bauabsichten auf eine ungewöhnliche Weise zu realisieren. Der Architekt konzipierte das für die damalige Zeit preiswerte Wohnhaus als Prototyp eines neuartigen Systembaus, dessen bestechend einfacher Grundriss mit einer konsequent durchdachten Konstruktionslösung korrespondiert, die das Wirkungsgefüge der innovativen Fachwerkkonstruktion überzeugend zum Ausdruck bringt.

Die vom Architekten gehegte Erwartung, dass sich aus dem realisierten Prototyp eine Serie industriell vorgefertigter Wohnhäuser entwickeln könne, hat sich nicht erfüllt. Zwar gingen rnach dem Bau zahlreiche Anfragen bei Architekt und Ausführungsfirma ein, der intellektuelle Anspruch des durch seine ungewohnte konstruktiv-technische Ästhetik charakterisierten Hauses sprach aber doch wohl nur eine beschränkte Zahl potentieller Interessenten an, die nicht ausreichte, um der Baubranche das Experiment einer Serienfertigung schmackhaft zu machen. Das Haus Mayer-Kuckuk blieb, als Prototyp entworfen, dennoch Unikat.

Lage und Baubeschreibung

Das Gebäude liegt inmitten eines Einfamilienhausgebietes am Ende einer Stichstrasse am Nordrand Bad Honnefs.

Das Wohnhaus bildet einen lang gestreckten zweigeschossigen Kubus und ist aus Fertigteilen zusammen gesetzt. Das flache Dach ist mit Kiesbelag versehen {Anm.: Es ist lediglich mit Teerpappe belegt, Kies würde die vorhandene Statitik überfordern}. Signifikantes Merkmal des Bauwerks ist das vor den Wänden sichtbare Tragskelett (Holzleimbinder-Rahmen). Dieses besteht aus jeweils acht außen liegenden Holzstützen, die im Abstand von 2,50 m an den Längsseiten mit Stahlstiften in Beton-Fundamentpfeiler eingelassen sind, so dass das ganze, nicht unterkellerte Haus nur an den Seiten aufgeständert ist und sozusagen frei (80 cm) über dem Boden schwebt. Die Fläche der Stahlstifte, auf denen das ganze Haus ruht, beträgt 20 qcm. Zur Verdeutlichung dieser enorm kleinen Fläche hat der Architekt eine Nische dieser Größenordnung im Kamin des Hauses ausgespart.

Die bis knapp über die Dachhöhe reichenden Ständer, die über Doppelzangen in den Geschossebenen miteinander verbunden sind, nehmen die gesamten Lasten des Hauses auf, welches so ohne jede Zwischenstütze auskommt. Die Längsaussteifung erfolgt mit geschossweise überkreuzten Stahlzugbändern, die zwischen den letzen Rahmenmodulen und vor den jeweils vorletzten Wandfeldern beider Längsseiten sichtbar angebracht sind; die Queraussteifung wird durch die in allen Kreuzungspunkten von Stützen und überschießenden Balkenköpfen regelmäßig angeordneten Dreiecksscheiben aus Sperrholz erreicht, die als wesentliche Gestaltungselemente deutlich überdimensioniert wurden.

In die Holzleimbinder wurden die Wände und Decken eingehängt. Die Stirnseiten weisen jeweils über die Rahmenkonstruktion hinaus, so dass als Ecklösung die aufeinander stoßenden Wandfelder vortreten. In die 10 cm hinter den Stützen stehende leichte Außenwand aus Sandwichplatten aus Eternit, Glaswolle und Spanplatten ist im Bereich zwischen den Decken bzw. Dachbindern eine Verglasung in Form eines Lichtbandes eingeschoben, die die bauliche Systematik innen und außen unterstreicht und die große Höhe des Wohnraumes angenehm gliedert.

Erschlossen wird das Haus an der nördlichen Längsseite über eine mehrstufige Treppe. Die Eingangstür ist als Schiebetür ausgebildet. Die Schlaf- und Arbeitsräume in der östlichen Hälfte sind mit Fenstern versehen, die im gartenseitigen Erdgeschoss mit Schiebeelementen verschlossen werden können. An der Eingangsseite befindet sich im Obergeschoss jeweils an den Seiten ein weiteres Fenster, wobei das östliche {Anm.: das westliche} später eingefügt wurde. Der Wohnraumbereich ist jeweils mit geschosshohen Türen belichtet. Der Straßenseite ist ein kleines Atrium in der Breite des Hauses vorgelagert, dessen Westwand gleichzeitig Grundstücksmauer ist.

Das Innere war als freier Grundriss vorgesehen, wobei der östliche Teil zweietagig ist und einhüftig an einen Längsflur die Schlaf-, Arbeits- und Nebenräume angelegt sind. Im Obergeschoss wurde in die ursprünglich ganz über zwei Etagen reichende Wohnhalle später durch ein weiteres Zimmer an der Stirnseite eingehängt und durch eine schmale Galerie verbunden.

Die Wand zum Wohnraum wird dabei als Bildträger genutzt. Diese Erweiterung war als Option von Anfang an konzipiert. (Architektur und Wohnform 1969, S. 270). Eine Wendeltreppe in der Wohnhalle, um eine Stahlsäule mit Holzstufen, ist das einzige runde Element im Haus und auch die einzige Verbindung ins Obergeschoss. Blickfang in der Wohnhalle ist ein mächtiger, freistehender Kamin aus schalungsrauhem gestrichenem Beton auf rechteckigem Grundriss, der einen Festkern und zentrale Stütze nur vortäuscht. Die Fußböden sind mit Holzdielen ausgelegt - heute mit Teppichboden versehen.

Das Bauwerk bedurfte nachträglich nur geringer Korrekturen {Anm.: erhebliche! Vgl. Rubrik "Renovierung"}, um langfristig funktionsfähig zu bleiben, vor allem im bauphysikalischen Bereich wie einige Verbesserungen der Abdichtung und die nachträgliche Blechabdeckung der Balkenköpfe und späterer Erneuerung der Holzfenster und Türen im Wohnraum. Der Gesamteindruck ist damit jedoch nicht verändert worden. Von der eingeplanten Flexibilität möglicher Grundrissveränderungen im Innern wurde mit dem Einfügen des weiteren Zimmers im Obergeschoss Gebrauch gemacht. Das Gebäude ist, dennoch ein authentisches Zeugnis der Entstehungszeit.

Begründung des Denkmalwertes gem. § 2 DSchG

Das in die Architekturgeschichte als „Haus Mayer-Kuckuk" eingegangene Gebäude ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als gebautes Zeugnis der technoiden Innovationen im Wohnhausbau der 1960er Jahre als Beispiel auch für das „Modulwesen" als Grundelement von Geplanten Megastrukturen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen wissenschaftliche, insbesondere architekturgeschichtliche Gründe vor, da es sich bei ihm um ein seltenes, weitgehend unverändert erhaltenes Zeugnis architekturutopischer Tendenzen im Wohnungsbau der 1960er und 1970er Jahre handelt, die den „flexiblen Menschen" (Richard Sennett, Der flexible Mensch, 1998) bereits vorausschauten und ihm das „flexible Haus" anboten.

Döring näherte sich der Konstruktion auf neue Weise durch Hinterfragen der (Fachwerk-) Konstruktion mit dem Gedanken der Reduktion und dem Ziel der Vervielfältigung. Von der Statik ausgehend kommt er zur auf das Wesentliche beschränkten Konstruktion, die im Verbund mit der Bauphysik zu einem ästhetischen Gesamtkörper gestaltet wird. Detalls, die sich aus der Konstruktion ergeben, werden als ästhetisches Mittel eingesetzt. Mit der Zangenkonstruktion in reiner Form erreicht er eine klare, überzeugende Architektur.

Das Echo, das Dörings „Haus Mayer-Kuckuk" in der Fachwelt und Presse hervorrief, war für ein einfaches Wohnhaus ungewöhnlich breit, lang anhaltend und positiv. Neben zahlreichen Architekturzeitschriften des In- und Auslands interessierten sich auch Tageszeitungen für Dörings Experiment und Architekturbücher nahmen es als Beispiel für progressive Gestaltung im Ingenieurholzbau in ihre Beispielsammlungen auf. Die bereitwillige bis begeisterte Aufnahme ist eine zeitgeschichtliche Tatsache, die einen wesentlichen Aspekt der geschichtlichen Bedeutung für Dörings Haus in Bad Honnef beleuchtet. Obwohl „nur" ein Einfamilienhaus und aus dem traditionellen, wenn auch ungewöhnlich verarbeiteten Material Holz errichtet, verkörperte es Ideen, die damals verbreitet waren. Als Vergleich bietet sich in Bonn das Gästehaus der Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn Bad Godesberg (1965/66) von Erich Schneider-Wessling an, das ebenfalls mit der Flexibilität und Perpetuierbarkeit wirbt, in Material (vornehmlich Edelstahl) und Struktur allerdings völlig anders gestaltet.

Wolfgang Pehnt spricht von einer „Zeit der technischen Utopien, die man kaum noch Utopien nennen wollte, so dicht schienen sie vor der Tür zu stehen. Die Weltraumfahrt hatte vorexerziert, was im Bereich des Machbaren lag. Warum sollte der Mensch nicht wenigstens in Türmen und künstlichen Hügeln aus Plastikkapseln und Wohnzellen hausen? Dergleichen fand sich auf den Skizenblöcken der jungen Generation wie heute die Säulenhallen und Palladiofenster. Hindernisse wurden nur noch beim rückständigen Baugewerbe gesehen. Gegen seine altehrwürdigen Fertigungstechniken, die im Winter stillgelegten Baustellen, die Vielzahl der Gewerbe setzten die Technologen die totale Industrialisierung des Bauens. Ziel waren nicht die schwerfälligen Großplatten und die Raumzellen aus Beton, bis zu denen die Bauwirtschaft sich allenfalls durchgerungen hatte, sondern elastische Elemente, leicht montierbar, passgenau wie die Erzeugnisse von Schiffsbau, Flugzeugindustrie und Autofabrikation [...] Architekturdesignern wie Döring galt das Bauen nicht mehr als ein Vorgang, der zu abgeschlossenen Ergebnissen führt, sondern als ein stets sich wandelnder Prozess Seine Produkte waren als provisorische Zwischenbilanzen gedacht, die durch ständige Innovationen überholt werden; entsprechend kurzfristig sollten sie sich amortisieren. Die Macher übten sich in neuen Rollen, für die sie am liebsten auf die alte Berufsbezeichnung verzichtet hätten: nicht Architekt, sondern Entwurfsspezialist für Prototypen. Auf die Originalität des einmaligen Entwurfs kam es ihnen nicht mehr an, da er ihnen durch den hektischen Wechsel der Architekturmoden kompromittiert schien. Dieser Gedanke jedenfalls lässt sich bis heute nachvollziehen.

Wie der Urheber war auch der Bewohner als eine andere Spezies Mensch gedacht. An die Stelle des Bürgers mit seinen überkommenen Gepflogenheiten trat der Homo ludens, der die Möglichkeiten des Systembaukastens spielend nutzt. Hieronymus im Gehäuse wurde durch den Nomaden ersetzt, der mit leichtem Gepäck durchs Leben wandert, abrufbereit und so mobil wie sein provisorisches Zuhause. Ging schon der Wohncontainer nicht (wie in manchen Projekten) mit auf die Reise, so sollte die menschliche Bleibe wenigstens veränderlich sein, kombinierbar, demontierbar, remontierbar." (Pehnt 1986, S. 87)

Ein wichtiges Ziel des modularen Systembaus bzw. des Elementbaus war es, angesichts zunehmender Mobilität und individueller Lebensgestaltung, als Werkzeug zu dienen, mit dem der Wohnraum den sich schnell verändernden Nutzungsbedürfnissen und - wünschen flexibel angepasst werden konnte. Der Elementbau, wie ihn Döring mit dem Haus Mayer-Kuckuk in exemplarischer Form verwirklicht hat, sollte zu einer vitalen Veränderlichkeit bzw. Anpassungsfähigkeit des Wohnungsbaus führen. Das Gegenteil war der Fall. Die Systeme wurden den Architekten wie Döring aus der Hand genommen. Die von ihnen erträumten Serien ihrer Prototypen waren nur als industrielle Großserien rentabel, die meistens in monotoner Gleichförmigkeit verbaut wurden. Angesichts dieser Entwicklung wandten sich Döring und viele andere von utopistischen Ideen geprägte Architekten im Verlauf der 1970er Jahre vom Elementbau ab. So schreibt Döring in Bezug auf die Verwendung der von ihm 1968 für den Schulbau entworfenen Raumelemente: „Es ist falsch zu glauben, dass ein intelligenter Raum als ,Einzelteil' auch in der Addition intelligent bleibt und auf den Weg zur Architektur als ästhetischem Ereignis weist" (Döring 1989, S. 22).

Der utopistische Zeitgeist in der Architektur der 1960er Jahre wird im Haus Mayer-Kuckuk auf; einmalige Weise manifest. Das liegt nicht nur daran, dass es einen Trend verkörpert, der auf dem Gebiet des Wohnungsbaus und weit darüber hinaus keine vergleichbare Realisation gefunden hat, sondern dass dies zugleich in einer technisch und ästhetisch ausgefeilten Form geschah, die von der Gesamtlösung bis in alle Einzelheiten reicht. Das macht auch die weit über die Fachwelt hinausreichende lebhafte Rezeption verständlich. Das Haus Mayer-Kuckuk ist sozusagen eine prototypische Realisation progressiver architektonischer Gedanken einer fortschrittsgläubigen Zeit, ein architektur- und gesellschaftshistorisches Zeugnis der 1960er Jahre.

Nicht nur für die Geschichte und Architektur der 1960er Jahre ist das Haus bedeutend, sondern auch für die Geschichte und Entwicklung des Fertigbaus und der Industrialisierung des Bauens. Die Geschichte der Vorfertigung geht weit ins 19. Jahrhundert zurück. In Deutschland setzt die Entwicklung später ein und ist nach den beiden Kriegszerstörungen auch Folge von Notsituationen, die raschen Wiederaufbau erforderlich machten. Im Vergleich zum konventionellen und industrialisiertem Bauen definiert Döring Letzteres so: „lndustrialisiertes Bauen zeigt die Komplexität eines Hauses aus Installation, Konstruktion, Kommunikationsmechanik, modularer Ordnung, Montage, Demontage, Umsetzbarkeit, Reproduzierbarkeit, Einrichtung, Materialkontrolle, Elementierung, Schallkontrolle, Isolationskontrolle usw.... Im Gegensatz zu konventione!lem ist industrialisertes Bauen Veränderungen gegenüber offen. So daß die so entstandenen Räume den sich ständig ändernden Forderungen flexibel angepasst werden können" (Testa 1972, S. 168). In diesen knappen Sätzen ist alles enthalten, was das Haus Mayer-Kuckuk im Kern ausmacht. Der Titel Walter Benjamins „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" scheint hier gleichsam auf die Architektur in Zeitverschiebung auf die experimentierfreudigen 1960er Jahre übertragen. Aus dem „Prinzip Konstruktion" entwickelt sich eine eigene Ästhetik. Döring verbindet dabei Idee und Anspruch miteinander, was er im Haus Mayer-Kuckuk zu einer klaren und ästhetisch überzeugenden Aussage bringt.

Darüberhinaus ist das Haus Mayer-Kuckuk eingebunden in die neue intellektuelle gesellschaftliche Aufbruchstimmung der 1960er Jahre, die in der Architektenschaft als progressive, innovative, phantasievolle Ideen, die oft auch nur Entwürfe blieben, diskutiert wurden. Man denke nur an den Strukturalismus und den Metabolismus um Aldo van Eyck. Die schwarzweiß Kontraste lassen Verwandschaften zu Kunst, Musik und Mode der Zeit assoziieren: geometrisierende Pop- und vor allem Op-Art (Victor Vasarely z.B.), Arbeiten in Modulen und Clustern, serielle Musik bis hin zu Coureges großflächigen schwarz-weiß geometrisierten Stoffen als gleichsam laufenden Kunstwerken. Mechanisch-industriell sind die Schlagworte, die die Forderung nach Unpersönlichkeit, Cluster oder Raster auf der Suche nach „Archeformen" als allgemein verständliche Grundelemente einer Standardisierung auch in die Künste übergreifen lässt. Als realisierte Architektur kommt dem Haus Mayer-Kuckuk auch in diesem Zusammenhang ein besonderer Stellenwert zu.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Haus Mayer-Kuckuk bedeutend ist für die Geschichte des Menschen, die Geschichte des Fertig- und Fachwerkbaus und die Geschichte des Wohnens. Seine Erhaltung und Nutzung liegt im öffentlichen Interesse aus architektur- und zeitgeschichtlichen Gründen.

Literaturauswahl und Quellen:
Architektur und Wohnform, Jg. 77, Heft 5, S.268-270.
Wolfgang Döring: Perspektiven einer Architektur, Frankfurt a.M. 1970.
Wolfgang Döring: Architekt, Köin 1989.
Kurt Junghanns, Das Haus für alle. Zur Geschichte der Vorfertigung in Deutschland, Berlin
1994.
Heinrich Klotz (Hg.): Vision der Moderne - Das Prinzip Konstruktion, München 1986, S. 118
125.
Winfried Nerdinger/Cornellus Tafel, Architekturführer Deutschland 20.Jahrhundert, Basel/Berlin/Boston 1996, S. 196f.
Wolfgang Pehnt: Neue Deutsche Architektur 3, Stuttgart 1970, S. 54f.
Wolfgang Pehnt: Kein Honnefer Modell - Fertighaus am Rhein, Bonn. Wolfgang Döring, Bauzeit 1967, in: Mathias Schreiber (Hg.): Deutsche Architektur nach 1945 - 40 Jahre Moderne in der Bundesrepublik, Stuttgart 1986, S. 86-88.
Jörg Schulze, Bad Honnef - Ein Dokument des modernen Fachwerkhauses, in: Denkmalpflege im Rheinland, 9. Jg., Heft 4 1992, S.158-163
Carlo Testa, Die Industrialisierung des Bauens (mit einem Beitrag von W. Döring), Zürich 1972.
Diverse Zeitungsartikel s. Bauakte der Stadt Bad Honnef und Objektakte im Rheinischen Amt für Denkmalpflege.
Bauakte der Stadt Bad Honnef.

Im Auftrag
Dr. Angelika Schyma